Die Liebe Gottes steht im Zentrum der Theologie des Alten Testaments. In dieser Tradition, in dieser Überzeugung entfaltet auch Paulus seine Theologie. Der Gott Israels liebt sein Volk mit ewiger Liebe, wie Jeremia sagt - das heißt immer wieder neu -, ist immer wieder enttäuscht und zornig und kann doch von seiner Liebe nicht lassen, so wenig, dass er sie nun auch der Völkerwelt in Christus Jesus zukommen lassen will. Als wir noch Sünder waren, die Tora kannten, aber nicht befolgten, die Tora nicht kannten, aber sie hätten kennen können, da wendet sich Gott der Völkerwelt zu, wie er sich auch nie wegen der Sünden Israels von Israel abgewandt hat. So wie sich Gottes Liebe gegenüber Israel durch die Befreiung aus Ägypten erweist, so erweist sie sich gegenüber der Völkerwelt analog im Durchgang durch das Wasser der Taufe als Befreiung. Befreiung nämlich von der Knechtschaft der egomanen Orientierung, Befreiung zum nicht überheblichen Handeln, Glauben und Hoffen auf Gottes Reich.
Fällt Ihnen auf den ersten Blick auch „Christus“ ins Auge? Auf mich wirkt es wie das Zentrum dieses Verses in der Lutherübersetzung. Und tatsächlich, die exakte Mitte der 19 Worte Lutherübersetzung, das 10. Wort heißt: Christus. Christus scheint wie die Spitze einer Pyramide, der Mittelpunkt dieses Verses zu sein und die Verbindung zwischen Gott und den Sünder:innen herzustellen.
Im griechischen Urtext sieht das aber anders aus. Hier hat der Vers 18 Worte und mittig steht „Gott, dass“. Wort für Wort lässt sich der Satz ungefähr so wiedergeben: Es schenkt aber so seine:ihre Liebe für uns Gott, dass, als wir Sünder:innen waren, Christus für uns starb.
Nun, auf den zweiten Blick, sind die Verhältnisse ganz anders. Gott ist der Kern des Satzes, von diesem Mittelpunkt aus ist der Vers aufgebaut. Gott ist die Verbindung zwischen der Liebe und den Sünder*innen und außen wird der Vers durch die Verben gerahmt.
Diese Anordnung verneint nicht die Aussage, dass Gottes Geschenk der Liebe für Paulus durch den Tod Christi geschieht. Im Urtext wird aber deutlich: Gott steht in der Mitte und ist das Subjekt – nicht nur grammatikalisch.