„Und nun spricht der Herr“ – ein Anfang, den man leicht überliest, denn dann folgen ja so herzerwärmende Worte: „der dich geschaffen hat, Jakob und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein!“
„Und nun“ aber verweist zurück auf das vorher Berichtete. Gott hat gestraft und vernichtet. Diejenigen, die ins Exil fliehen konnten, waren die Glücklichen. Jesajas Botschaft von der Zuwendung Gottes, von seiner Liebe, ist keine Schönwettertheologie, sondern nur eine Seite Gottes.
Im jüdischen Kalender haben wir gerade die „7 Wochen der Tröstung“. Vom Tag der Erinnerung an die Tempelzerstörung bis zum jüdischen Neujahrsfest lesen wir jede Woche Texte Jesajas. Gott bekräftigt seine Zuwendung zu Israel, zum jüdischen Volk. Juden aber, wie alle Menschen, sind von Gott in die Verantwortung gerufen. „Du bist mein“.
"Du bist mein" sagt Gott zu Israel. Was das heißt, weiß Exeget Daniel Vorpahl:
Das Verhältnis Gottes zu seinem Volk lässt sich an etlichen Textstellen in Allegorie zu einem Eltern-Kind-Verhältnis erläutern.
So auch hier: Wer einer Sache oder gar Menschen einen Namen gibt, übt einen Akt der Identifizierung und Zuschreibung, aber auch Aneignung aus. Für das Individuum ist das ein durchaus anmaßender Akt, den nur Kinder nicht als solchen empfinden, da sie von Geburt an mit ihrem Namen groß werden. Jakob aber hatte bereits einen Namen, als Gott ihm den Namen Israel hinzugab. Dieser ist kein übergriffiger Spitzname, da sich Gott damit nicht das Individuum Jakob zu eigen macht, sondern ihn als Quelle eines Volkes markiert, das aus ihm hervorgehen wird und dem dieser Name zur Identität werden wird. Es ist weniger die Geburtsstunde, als eher der Zeugungsmoment des Volkes Israel, dessen Gott sich annimmt. Wie Eltern eines Kindes übernimmt Gott damit Verantwortung für etwas, das noch gar nicht recht da ist und geht so eine verpflichtende Zuständigkeit ein.