Dazu fällt mir eine Geschichte ein - ich weiß nicht mehr, wo ich sie gehört oder gelesen habe: "Das ist Gott - (seufz) leider hat er nicht aufs Bild gepasst", sagt die neunjährige Lena ihrem Lehrer, als der ihr über die Schulter schaut und erstaunt ist, dass sie nicht malt wie ihre Klassenkamerad:innen.
Vielleicht war das nur eine schlaue Ausrede, vielleicht entstammt ihr weißes Blatt echter Ehrfurcht - in jedem Fall hat sie eine sehr wahre Aussage getroffen. Denn eigentlich passt doch auch unser Text heute nicht aufs Blatt. Unvergängliches Leben, ist damit die Auferstehung gemeint? Kann man daran heute noch glauben?
Eigentlich finde ich es ganz gut, dass Gott nicht aufs Blatt passt.
Die Art, wie wir die Welt sehen, kann manchmal sehr dunkel sein. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie es war, als meine Großmutter gestorben ist. Ich habe sie so sehr vermisst, dass die ganze Welt in den Wochen danach dunkel war. Und jetzt stelle ich mir vor, Gott wäre auf diesem Bild drauf, das zeigt, wie wir die Welt sehen. Hoffnung könnte Gott dann nicht mehr geben. Er wäre ja selbst Teil dieses dunklen Gemäldes, er würde selbst in der Dunkelheit sitzen.
Gott passt nicht aufs Blatt, nicht zu dem, wie wir die Welt verstehen, weil sie größer ist als unser Verständnis. Das ist kein Widerspruch zu den Naturwissenschaften, sondern die Anerkennung der Grenzen des menschlichen Intellekts. Und gerade deswegen kann Gott das Blatt, auf das wir unsere Welt zeichnen, erleuchten und Hoffnung geben.
„… dem Tode die Macht genommen“? Wirklich? Die täglichen Nachrichten erschüttern uns mit ganz anderen Bildern: Kriege, Erdbeben, Überschwemmungen, Hurricanes, Hungerkatastrophen, Pandemien. Will uns der Wochenspruch auf ein Jenseits vertrösten?
Ich höre da eher heraus: Lasst Euer Leben nicht vom Tod bestimmen - es gibt ein Leben vor dem Tod! Lebt nicht wie das Kaninchen vor der Schlange, sondern tut was gegen Krieg, Zerstörung der Umwelt, Armut und Fluchtursachen. Versöhnt Euch mit Euren Mitmenschen, ja auch mit Euren Feinden. Und lebt in Einklang mit der Schöpfung!
„Juden wie Christen haben eine gemeinsame Aufgabe in der Verheißung des Bundes, die Welt unter der Herrschaft des Allmächtigen zu verbessern“, erklärten orthodoxe Rabbiner 2015.
Am Sonntagabend beginnt Jom Kippur. Versöhnung mit Gott, aber nicht ohne vorherige Versöhnung mit den Mitmenschen. Eigentlich brauchen wir dafür nicht nur einen Tag, sondern ein ganzes Leben.