Grußwort des Institutsleiters Prof. Christoph Markschies
Gedanken zum Fest von Prof. Amir Engel
"besser lesen als besser wissen" Rückblick und Ausblick
#bzw und Kirche gegen Antisemitismus
Veränderungen am IKJ Abschied Dr. Milena Hasselmann
Projekt Impuls der Woche
Bibel lesen mit Ausblick
Jüdische Erfahrungen im FilmLerntag für Interessierte
Fast scheint es, als ob wir nun alle miteinander Angst haben – Jüdinnen und Juden vor den inzwischen noch einmal alltäglicheren antisemitischen Ausfällen (als ob Menschen, die hier in Deutschland leben, für die Politik der israelischen Regierung in Haftung genommen werden dürften), Christenmenschen vor Terror und Gewalt im eigenen Land, vor einem neuen Jahr mit weiteren Krisen. „Mir geht es wie jemandem, der beim Monopoly nur schlechte Ereigniskarten zieht“, sagte ein hochrangiger Politiker mitten im Advent. „Gehe ins Gefängnis“ und nicht „Gehe über ‚Los‘ und ziehe 4000 Euro ein“. Zu den Sorgen um den Frieden in Europa und im Nahen Osten kommen Sorgen um unsere Gesellschaft hierzulande, aber auch in Israel, um den Zusammenhalt der Menschen, um eine Mehrheit für eine demokratische Regierung. Wenn dann dazu noch die Nachricht über Krankheit, Verlust des Arbeitsplatzes und anderes mehr kommt, fällt es schwer, sich in Stimmung zu bringen für Chanukka und Weihnachten, für Weihnukka, wie man früher in Berlin sagte.
Aber die historischen Ereignisse, an die Chanukka und Weihnachten erinnern – und beide erinnern an historische Ereignisse im Lande Israel –, sind von Grausamkeit der Herrschenden und Not der Menschen geprägt. Idyllisch ist nur, was wir heute daraus machen: Kerzen, Gebäck, gemütliches Zusammensitzen in der warmen Stube. In Wahrheit geht es bei beiden Festen um die Welt, wie sie auch heute ist. Gewalt allerorten. Kaum Luft zum Atmen. Menschen auf der Flucht, Menschen in Furcht vor der Plänen der Herrschenden. Chanukka und Weihnachten sind Feste, in denen gefeiert wird, dass Gott die Herrschaft der Welt behält gegen die Anschläge der scheinbar Mächtigen. Er bringt Licht in die Dunkelheiten der Welt. Er stützt die scheinbar Kleinen und Ohnmächtigen gegen Weltmächte. Wunderbarerweise reicht das Öl nicht nur für einen, sondern für acht Tage. Wunderbarerweise wird das Leben des neugeborenen Kindes bewahrt vor den bösen Absichten des Königs Herodes.
Chanukka und Weihnachten will uns die Angst vor der Zukunft nehmen, wenigstens eine besondere Woche – in der römisch-katholischen Kirche bewahrt als die Weihnachtsoktav mit besonderen Gottesdiensten und besonderen Stücken im Gottesdienst. Weihnachten und Chanukka lädt uns ein, Gott wieder Wunder zuzutrauen auch in unserer Zeit vielfältiger Krisen. Zu glauben, dass er die Welt in den Händen hat und nicht die Weltmächte. Dazu darf man sich nicht scheuen, von Gott zu reden. Wer Weihnachten und Chanukka nur von Menschen redet, bringt die Religion um das Beste, worum in ihr geht: Gott redet, Gott handelt. Deswegen heißt das, was wir am Institut treiben, auch Theologie und nicht Anthropologie. Um Gott geht es, von Gott her wird über den Menschen geredet. Um einen Gott, der sich in konkreten Orten und Zeiten hören lässt, nicht um nebulose Vorstellungen darüber, dass es noch etwas Höheres und Größeres gibt. Anthropologien, in denen von irgendwelchen höheren Werten und Wesen geredet wird, gibt es wie Sand am Meer. Die muss man zu Chanukka und Weihnachten nicht noch um ein weiteres Angebot vermehren.
Chanukka und Weihnachten lenken die Aufmerksamkeit auf eine Ecke der Welt und ihrer Geschichte, die in vielfältiger Hinsicht am Rande lag und liegt. Von dort scheint Licht, von dort kommt Heil und Trost. Diesen lichtvollen Trost wünschen wir all‘ denen, die diese Zeilen lesen, von ganzem Herzen. Namens des Instituts:
Christoph Markschies,
Leiter des Instituts
von Prof. Amir Engel
Formal erinnert Chanukka an zwei miteinander verbundene Ereignisse: die Wiedereinweihung des Tempels in Jerusalem durch das Makkabäer-Heer und das Wunder, das dafür sorgte, dass ein Tagesvorrat an Öl die Tempellampe (die Menora) acht Tage lang leuchten ließ. Jeder, der schon einmal eine Chanukka-Feier gesehen hat, weiß, dass es inzwischen mehr als das ist. In Deutschland feiern die Jüd:innen seit langer Zeit Weihnukka, in den Vereinigten Staaten feiern sie Chrismukkah. In Israel jedoch wurde Hanukkah zum Fest der nationalen Stärke. Chanukka wurde so zu einer Art Leinwand, auf der verschiedene Gemeinschaften zu verschiedenen Zeiten ihre Anliegen und Wünsche zum Ausdruck brachten.
Chanukka ist im Vergleich zu anderen jüdischen Feiertagen ungewöhnlich, da es an ein politisches Ereignis erinnert, das in den heiligen Schriften nicht erwähnt wird. Pessach, das jüdische Frühlingsfest, könnte als Gegenbeispiel dienen. Die Ereignisse, derer an Pessach gedacht wird, sind im Buch Exodus beschrieben, und die Rituale sind von Gott angeordnet. Die Ereignisse, an die zu Chanukka erinnert wird, und die Feiertagsrituale hingegen müssen aus verschiedenen Quellen, die zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten niedergeschrieben wurden, zusammengeschustert werden. Die zentralen Quellen über die Geschichte des Makkabäeraufstands finden sich im ersten und zweiten Makkabäerbuch. Diese Bücher wurden im zweiten Jahrhundert n. Chr. verfasst und beschreiben den Aufstand gegen das Seleukiden-Reich etwa dreihundert Jahre zuvor. Das Wunder mit der Öllampe, der Menora, das acht Tage dauerte, wird zum ersten Mal in einem späten Zusatz (Braita) erwähnt, der Teil des babylonischen Talmuds ist und etwa sechshundert Jahre nach den darin beschriebenen Ereignissen verfasst wurde. Gelehrte scheinen sich einig zu sein, dass die rabbinische Tradition bestenfalls ambivalent auf den militärischen Sieg der Makkabäer reagierte. Das zeigt, dass Chanukka im Vergleich zu anderen Feiertagen in erster Linie an ein politisches, nicht an ein religiöses Ereignis erinnert. Es erklärt auch, warum Chanukka für einen Großteil der jüdischen Geschichte ein marginales Ereignis war.
Andererseits fällt Chanukka mit dem wichtigsten religiösen Feiertag und kommerziellen Ereignis in der westlichen Welt zusammen, nämlich mit Weihnachten. Im Laufe des letzten Jahrhunderts, wenn nicht sogar darüber hinaus, haben die Jüd:innen im Westen alles in ihrer Macht Stehende getan, um Chanukka mit dem zu verbinden, was um sie herum geschah. In den Worten eines jüdischen Kommentators: "Meine Wahrheit über Chanukka war eher der inbrünstige Versuch zu glauben, dass Chanukka besser sei als Weihnachten."[1] Um dies zu erreichen, haben die Jüd:innen Lichter und Kerzen, Geschenke und Lieder in ein Fest übernommen, das sich ein wenig wie Weihnachten anfühlt, aber Chanukka genannt wird.
Bei Chanukka geht es nicht um den Verlust einer Authentizität, die es nie gab, sondern um die Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit religiöser Traditionen. Ich hoffe, dass Menschen verschiedener Religionen weiterhin das Licht und die Wärme der Familie genießen können, unabhängig von der spezifischen Geschichte, an die sie sich zu erinnern hoffen.
[1]www.huffpost.com/entry/the-truth-about-hanukah_b_1165708
2019 startete die ökumenische und deutschlandweite Kampagne "Näher als Du denkst. jüdisch beziehungsweise christlich.", deren Inhalte immer noch hier abrufbar sind. Aus dem Kreis der EKBO und dem Erzbistum Berlin ist nun eine Erweiterung der Kampagne mit fünf weiteren Plakaten entstanden. Diese Plakate können Sie hier einsehen und bei Bedarf auch als Plakate oder in Postkartenform bestellen.
Auf ihrer Herbstsynode 2023 hat die EKD noch einmal ihre Grundeinstellung "Christlicher Glaube und Antisemitismus sind unvereinbar" bekräftigt. In diesem Zuge hat sie eine breit angelegte Kampagne zur Aufklärung über Antisemitismus und dessen Wurzeln in christlicher Tradition sowie zum Kampf gegen Antisemitismus aufgelegt. Auf der im Entstehen begriffenene Homepage finden Sie Informationen, Materialien und Initiativen, die für Gemeinden wie für interessierte Einzelne hilfreich sein können.
Im neuen Jahr haben Sie weiterhin die Möglichkeit, einen wöchentlichen Impuls per
E-Mail oder über die Social-Media-Kanäle des Instituts zu erhalten. Dies wird nicht mehr wie bisher ein Kommentar zum Wochenspruch sein, sondern als „Impuls der Woche“ verschiedene Themen abdecken. Im Wechsel erreichen Sie hier geistliche Impulse, wissenswerte Informationen aus dem jüdisch-christlichen Dialog, Empfehlungen unterschiedlicher Art oder Kurzinterviews mit einschlägigen Personen.
Wir freuen uns, wenn Sie uns auch im neuen Jahr verbunden bleiben und unseren „Impuls der Woche“ vielleicht sogar empfehlen oder sich hier selbst neu anmelden.
Die Kommentare zum Wochenspruch der letzten 2,5 Jahre finden Sie wie gewohnt auf unserer Homepage, bald auch nutzungsfreundlich sortiert und zugänglich.
Wir entdecken unterschiedliche Zugänge zur und Blicke auf die Bibel. Mit jüdischen und christlichen Gästen kommen wir ins Gespräch und lassen uns auf neue Perspektiven ein. Interessierte sind jederzeit eingeladen, dazuzustoßen.
Donnerstag, 09. Januar 2025, um 19 Uhr
Bibel lesen mit RABBINERIN DALIA MARX: Zeit in der Bibel
Online via Zoom > Anmeldung: mail
Lerntag des Landeskirchlichen Arbeitskreises Christen und Juden
Wie können wir in unserer pädagogischen Arbeit Filme einsetzen, um über Erfahrungen von Juden und Jüdinnen zu lernen und ins Gespräch zu kommen? Tirza Seene wird dafür grundlegende filmkritische Kompetenzen aufzeigen, die notwendig sind für die Einordnung der filmischen Darstellung jüdischen Lebens.
Ziel ist die Ausdifferenzierung der Ebenen, auf denen Film und jüdische Erfahrung sich treffen, um bestimmte (problematische) Inszenierungen und Motive erkennen zu können. An ausgewählten Filmbeispielen wird nicht nur eine kritische Filmsichtung geübt, sondern auch Basiswissen über Repräsentation, Antisemitismus und jüdisches Leben im Film vermittelt.
TERMIN Montag, 10. März 2025, 17-20 Uhr
ORT online via Zoom
ANMELDUNG bis zum 03. März 2025 unter: go.akd-ekbo.de/rp25-lerntag
09. Januar 2025, um 19 Uhr
Bibel lesen mit RABBINERIN DALIA MARX: Zeit in der Bibel
Online via Zoom > Anmeldung: mail
23. Januar 2025, um 19 Uhr
Lesung & Gespräch: ANGELIKA OBERT liest aus
GISELA DACHS (Hg.) "7. Oktober 2023. Stimmen aus Israel"
Eberhard-Ossig-Stiftung, Markgrafenstraße 88, 10969 Berlin
> Anmeldung: info
27. Februar 2025, um 19 Uhr
Lesung & Gespräch: KATJA PETROWSKAJA "Das Foto schaute mich an"
Eberhard-Ossig-Stiftung, Markgrafenstraße 88, 10969 Berlin
> Anmeldung: info
10. März 2025, 17-20 Uhr
Lerntag "Jüdische Erfahrung im Film: Zwischen Stereotypen und Selbstermächtigung" mit TIRZA SEENE
Online via Zoom
> Informationen und Anmeldung hier
27. März 2025, um 19 Uhr
Lesung & Gespräch: EVA-MARIA HERBERTZ "Endstation Hollywood. Das Leben des Paul 'Hulle' Huldschinsky (1889-1947)"
Eberhard-Ossig-Stiftung, Markgrafenstraße 88, 10969 Berlin
> Anmeldung: info
27. März 2025, um 19 Uhr
Lesung & Gespräch: ADRIANA ALTARAS "Besser allein als in schlechter Gesellschaft. Meine eigensinnige Tante"
Eberhard-Ossig-Stiftung, Markgrafenstraße 88, 10969 Berlin
> Anmeldung: info
Wir kommen gern zu Ihnen und bieten unter anderem Folgendes an:
Sprechen Sie uns an: info