Demut ist ein zentrales Element für die Beziehung zwischen Mensch und Gott. So schreibt es auch der Prophet Micha: „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der HERR von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.“ (Micha 6,8)
Demut kann als eine Art Wake-up-Call für das Verhalten der Menschen untereinander verstanden werden: Hey, du bist nicht das Größte auf der Welt! Du musst dich gar nicht mit anderen vergleichen. Denn vor der Größe Gottes sind wir alle genauso klein.
Die Anerkennung der Größe Gottes bedeutet nicht, dass wir uns nun ganz besonders klein machen müssen. Sie gibt uns vielmehr die erleichternde Erkenntnis: Vor Gott darf ich so klein sein, wie ich bin.
Demut „hat“ man nicht einfach, sondern Demut braucht Mühe und Anstrengung
– sagt der 1. Petrusbrief:
Denn das Wort bekleiden/anziehen (ἐγκομβοόομαι) bezieht sich auf einen Arbeitsschurz, meist von Sklaven getragen. Bekleidet euch mit Demut, d.h: Krempelt die Ärmel hoch und legt euch eine Haltung an, die sich an Schutzlosen, Erniedrigten und Geschwächten orientiert.
Ein Mensch, mit Demut bekleidet, weiß,
dass Demut (Aniwut) nichts mit Selbsterniedrigung (Schiflut) zu tun hat.
Ein Mensch, mit Demut bekleidet, hat Courage und ist solidarisch;
sieht ein, dass er nicht das Maß aller Dinge ist und erkennt Gottes Größe an.
Das wohl meint Rabbi Jochanan, wenn er sagt: Wo immer du Gottes Größe findest, da findest du auch seine Demut.
Wir sind die Guten!
Was heute als locker-selbstbewusster Spruch daherkommt, bekommt beim Blick in die europäische Geschichte hässliche Untertöne: Wir sind die Guten, hieß meist auch: Ihr seid die Bösen.
„Wir“, das waren die Christen, „Ihr“, das waren normalerweise „die Juden“. So wurden Jesus, seine Mutter Maria und seine Jüngerinnen und Jünger einfach der Christenheit zugeschlagen. Denn sie waren ja die Guten.
Die Bösen waren „die anderen“: Judas, „die Pharisäer“, „die Juden“ schlechthin. Und natürlich waren auch immer bloß „die anderen“ hochmütig. Die Demut ist zur Heuchelei verkommen, so als ob sie es nötig hätte, andere klein zu machen. Tatsächlich achtet die Demut den Wert der Vielstimmigkeit, sie rechnet mit dem eigenen Irrtum und damit, dass auch „die anderen“ die Guten sein könnten.
Gerade in der Vielfalt wirkt nämlich Gottes Gnade, nicht nur für die einen oder die anderen, sondern so wie im Alten und im Neuen Testament verheißen: Für Gottes ganze Schöpfung.