Wer ist der Herr? Welcher Weg sollte für ihn vorbereitet werden? Wann wird er ankommen, und was ist damit gemeint, dass er mit voller Gewalt ankommen wird?In verschiedenen spirituellen Lehren, zum Beispiel in der Kabbala, wird großer Wert auf die Korrektur des Verhaltens gelegt, auf die Selbstbeobachtung.Manchmal werden wir vom Zufall regiert. Wir gleichen einer Kutsche, die von widerspenstigen Pferden gezogen wird, und der Reiter, der sie lenkt, ist entweder abwesend oder nicht in der Lage, die Pferde zu führen.Diese Gedanken laden uns ein, unsre Anteile zu erkennen, darauf zu achten, was uns aktiviert, und zu verstehen, was oder wer dieser verantwortliche Treiber ist. Wenn wir uns auf diesen Weg einlassen, verfeinern wir das Werkzeug, das wir sind. Wir bereiten den Weg.
Wenn wir wissen, wie wir die Kutsche mit den Pferden führen, können wir als Kanal dafür dienen, dass feinere Qualitäten durch uns hindurchgehen. Wir verbinden uns mit der Essenz unseres Wesens, das nach Gottes Bild geschaffen wurde. Diese Qualitäten werden durch uns hindurchscheinen. Das ist der Herr. Wir werden nicht zu Gott, aber das göttliche Licht kann durch uns scheinen. Wir werden unsere Rolle in der Welt mit aller Kraft erfüllen können.
Allmacht Gottes oder Autonomie des Menschen?
Wie das kein Widerspruch sein muss und was Erlösung mit Bewegung zu tun hat, gibt uns Rabbinerin Dr. Ulrike Offenberg zum Wochenspruch aus Jes 40,3.10 mit:
Ist das nicht ein Widerspruch? Gottes Erscheinen erfolgt kraftvoll und zu selbstgewähltem Zeitpunkt. Welche Wegbereitung sollen da Menschen leisten?
Die Gegenüberstellung dieser Versteile aus Jes 40, 3 und 10 verweist auf das unauflösbare Spannungsverhältnis religiöser Existenz: Gott ist der/das/die ganz Andere, nicht zu fassen mit menschlichen Begriffen, größer als alle unsere Vorstellungen, Schöpfer der Welten, Ursprung von Leben und Tod. Es sind Bilder von Macht, Majestät und Unerreichbarkeit. Welchen Weg können Menschen da bahnen?
Doch schon mit der Erschaffung des Menschen in Gottes Ebenbild verzichtete Gott auf diese einsame und ferne Stellung. Spätestens seit dem Bund mit Noah ist klar, dass Gott an Interaktion interessiert ist. Nicht durch mächtige Taten will Gott Anerkennung finden, sondern indem sich Menschen in Beziehung zu Gott setzen. Und da ist eine Grenze für Gottes Allmacht: „Alles ist in Gottes Hand, außer der Gottesfurcht“, sagen die Rabbiner im Babylonischen Talmud (BT Berachot 33b). Es liegt in der Autonomie der Menschen, von sich aus anzufangen, Wege für Gott in ihrem eigenen Leben und in der Welt zu bahnen. In dieser Bewegung aufeinander zu wird Erlösung sichtbar.