„Wie ist Gott?“ – ist vielleicht eine der Grundfragen gläubiger Menschen. Viele kluge Antworten haben Menschen darauf gegeben und eine ist uns schon früh mitgegeben: Glaubt man dem Johannesevangelium, dann ist Gott vor allem dies: Fülle, Überfluss, Mangellosigkeit. Eine Fülle, die uns nicht überfordernd überfällt, sondern von der wir nehmen.
Von Gott ist genug da. Für uns. Für uns alle. „Gnade um Gnade“ – endlose sich wiederholende, überfließende Gnade. „Gott ist Fülle“, das ist nicht nur eine Beschreibung, es ist Gottes Essenz, schon zwei Verse vorher lesen wir, dass Gott voller Gnade und Wahrheit ist. Gott als Fülle verwehrt sich gegen abgrenzende Vereinnahmung, gegen menschlichen Hochmut, Gott vollständig erfassen zu können. Gott ist die Gnadenfülle, von der wir nehmen und so ist es immer beides: Gott stellt bereit und dann nehmen wir.
Das Johannesevangelium hat kaum begonnen, da hält der Evangelist schon Rückschau: „Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen Gnade um Gnade“. Dieser Vers greift Joh 1,14 auf – den Wochenspruch für das Christfest. Das „voller Gnade und Wahrheit“ lässt Jesus als Vergegenwärtigungsgestalt Gottes erscheinen, der nach Ex 34,6 „von großer Gnade und Wahrheit“ ist. Wenn Sie gerne arabisch essen gehen, kennen Sie das: Der Tisch ist noch übervoll mit kleinen Tellern voller Köstlichkeiten, da kommt schon die Bedienung und tauscht leere gegen volle Teller aus. Genau so funktioniert der Wochenspruch: Ist die eine Gnade „abgefrühstückt“, kommt schon die nächste. Hinter dem griechischen Wort für Gnade (Charis), das an sich schon ein schönes Wort ist, weil es mit Freude (Chara) verwandt ist, verbirgt sich das hebr. „Chesed“, das man mit „liebevolle Freundlichkeit“ übersetzen kann. Das neue Jahr hat kaum begonnen, da werden wir schon eingeladen, Rückschau zu halten und uns der Portionen liebevoller Freundlichkeit, die uns bisher aufgetischt wurden, zu erinnern. Da war bestimmt einiges dabei, oder?