Wir leben in einer Zeit voller sicherheitstechnischer Innovationen, trotzdem ereignete sich in meiner Heimat, in Israel, eine Katastrophe. In dieser Katastrophe haben Brüche und Schmerzen, das Gefühl von Verlust und Unsicherheit die Grundlagen unserer Existenz untergraben.
Nach dem anfänglichen Schock und den Gefühlen der Wut gegenüber den Menschen, die für die Situation verantwortlich sind, gegenüber Gott („Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“ Psalm 22 1) kommt - genau wie im Trauerprozess - die Erkenntnis, dass dies die Realität ist, und wir von nun an den Weg finden müssen, damit umzugehen. Es gibt viele Initiativen aller Art, viel wird auf praktischer Ebene getan und gleichzeitig werden auch spirituelle Quellen um Unterstützung gebeten. Wir erinnern uns daran, dass es im Universum Kräfte gibt, die größer sind als wir, und bitten sie um Hilfe. Wir bitten um Heilung und Erlösung.
Der Wochenspruch ist die Grundlage für den Segensspruch der Heilung im Achtzehnbittengebet. Dieses Gebet wird traditionellerweise im Judentum dreimal am Tag gesprochen und jetzt hat es eine noch größere Bedeutung. Der Vers lobt Gott in Verbindung mit der Bitte um Heilung. Es wird aber nicht darüber verhandelt, dass Gott nur dann gelobt werde, wenn er geheilt hat. Vielmehr vertieft sich das Wissen um die eigene Kleinheit: Die Ehre sei Gott allein, egal was passiert. Übrigens endet das Achtzehnbittengebet mit: „Verleihe Frieden [...] uns und ganz Israel.“ In Reformgemeinden ergänzt man oft "uns und allen Menschen".
Möge es so sein!
Wie hängen „der Mond ist aufgegangen“, der Wochenspruch und das jüdische Achtzehnbittengebet zusammen?
Dr. Milena Hasselmann vom IKJ Berlin hat über den aktuellen Wochenspruch nachgedacht:
„Und unseren kranken Nachbarn auch“ singen jeden Abend viele Eltern am Bett ihrer Kinder in der Hoffnung, dass mit dem Ende der 7. Strophe des bekannten Abendliedes nun auch das Einschlafritual ein Ende gefunden hat. Die Bitte um Heilung und das Vertrauen, dass Gott heilt, ist nicht nur im Christentum zentraler Teil des Gottesbildes. In der jüdischen Tradition wird drei Mal täglich im Achtzehnbittengebet die 8. Bitte mit eben diesem Vers des Propheten Jeremia eingeleitet, bevor es heißt: bringe vollkommene Heilung allen unseren Wunden, denn Gott, König, altbewährter und barmherziger Arzt bist du. Gelobt seist du, Ewiger, der du die Kranken deines Volkes Israel heilst!
Aus der jüdischen Tradition lässt sich lernen, dass der Ruf nach Heilung, das Vertrauen, dass Gott heilt keine Bitte im Einzelfall ist, die in der individuellen Notsituation stoßgebetsartig ausgerufen wird. Heil und Heilung sind ganzheitliche Geschehen und werden deshalb 3mal täglich erbeten.