Nach der Erzählung des Lukasevangeliums spricht Jesus diese Worte zu einer Gruppe von Menschen, die er auf dem Weg nach Jerusalem trifft. Jesus spricht diese Worte also nicht ohne jeglichen Anlass, sondern als Teil eines Gesprächs. Als jüdischer Lehrer reagiert er auf die Fragen derjenigen, die sie stellen. Und in seiner Antwort setzt er bestimmte Kenntnisse bei den Fragestellenden voraus. Jesus erinnert die Fragenden an eine bekannte Vorstellung aus der ihnen gemeinsamen jüdischen Tradition. Er beruft sich auf die Schriften Israels, die vom “Reich Gottes”, das auch mit “Königsherrschaft Gottes” übersetzt werden kann, erzählen. Die Vorstellung von der Königsherrschaft Gottes ist bei den Fragenden also längst bekannt. Spannend ist nun ein Blick darauf, wie die Königsherrschaft Gottes in diesem Vers konzipiert wird: Von überall, von allen Himmelsrichtungen her, kommen diejenigen, die in der Königsherrschaft Gottes einen Platz am Tisch haben werden. Aber auch das ist doch gar nicht so überraschend, sondern bereits in der Schöpfungsgeschichte deutlich geworden: Gott hat alles geschaffen. Und so kann es in der Königsherrschaft Gottes gar keine Grenzen geben. Denn alles kommt und ist von Gott her.
Weltflucht hat einen schlechten Ruf, aber kann auch Keimzelle für Veränderung sein. Der Wochenspruchkommentar zum 3. Sonntag nach Epiphanias kommt von Studienrätin Dr. Franziska Grießer-Birnmeyer:
Die Familie kam von Norden. Die Freunde legten auf ihrer Reise von Norden nach Süden einen Zwischenstopp bei uns ein. Wir saßen zu Tisch. Wir haben Kerzen angezündet und Lieder gesungen, gegessen und getrunken. Wir haben die großen und kleinen Krisen ausgeblendet, so gut es uns möglich war.
Eskapismus hat einen schlechten Ruf: Die, die sich davonmachen, gelten als egozentrisch, verantwortungsscheu und schwach. Widerspruch kommt von Ernst Bloch, dem atheistischem Philosophen aus jüdischem Hause: Menschen, die Weltflucht begehen, können zwar aus der Warte einer technologisch-rationalen Gesellschaft als „unreif“ erscheinen, aber zugleich den gesellschaftlichen Wandel im Kleinen anstoßen. Alles, was die „Feuersäule der Utopie“ vor dem Verlöschen bewahrt, ist von Bedeutung - so notiert er es in „Das Prinzip Hoffnung“ (1954). Für ihn haben Fluchten aller Art emanzipatorisches Potenzial, und zwar als Keimzelle für Veränderung und Fortschritt auf dem Weg zu einer humaneren Gesellschaft. Das Reich Gottes ist für Bloch „die Identität des zu sich gekommenen Menschen mit seiner für ihn gelungenen Welt“.
Und so komme ich zu mir: Helene Fischer im Ohr, Schokofondue zum Frühstück und Konfetti im Haar. Bis ich kommen werde von Osten, Westen, Norden oder Süden, und zu Tisch sitzen werde im Reich Gottes.